Wenn wir uns fragen, wie wir die Bibel lesen, sollten wir nicht vergessen, dass es eigentlich ja gar nicht um die Bibel geht, sondern um den Gott der Bibel. Die Bibel ist eine offene und ständig gültige Einladung, nicht nur die grosse Erzählung kennen zu lernen, sondern den grossen Autor dahinter: Gott. Gott hab uns die Bibel, damit wir ihn persönlich kennen lernen und Teil der grossen Erzählung werden. Wir sollten also nicht bei der Frage, wie wir die Bibel lesen, stehen bleiben, sondern uns weiter fragen, wie wir die Bibel leben. Und dabei sollten wir nicht vergessen, dass es unzählige Menschen vor uns gegeben hat, die die Bibel gelesen, den Gott der Bibel erlebt, die grosse Geschichte ergriffen haben und so selber Teil der Erzählung wurden. Man könnte das ganze auch Kirchengeschichte oder -Tradition nennen. Nun gibt es die einen, die die Bibel durch die Tradition lesen und die anderen, die sie mit der Tradition lesen. Die Bibel durch die Tradition zu lesen, bedeutet, die Brille anderer anzuziehen und ihre Leseart der Erzählung zu übernehmen. Die Bibel mit der Tradition zu lesen, bedeutet, die grosse Story selber für sich zu entdecken, dabei aber auch die Menschen vor uns als Teil der Erzählung zu sehen und ihr Leben und Denken einfliessen zu lassen. In der Kirchengeschichte liegt mit Augustiuns, Irenäus, Thomas von Aquin, Martin Luther, Heinrich Bullinger, Karl Barth, Papst Johannes Paul II., um nur ein paar wenige zu nennen, ein grosser Schatz, den wir nicht einfach übergehen sollten. Aber auch hier gilt: Gott spricht zu jeder Zeit in der Art dieser Zeit, damit es die Menschen dieser Zeit verstehen. Die Bibel mit der Tradition zu lesen bedeutet nur, diese Stimmen auch zu hören, zu lernen, weg zu lasen, anzupassen, zu übernehmen. Doch schlussendlich geht es immer um das eine Zentrum, den grossen Hauptdarsteller: Jesus Christus. Durch ihn können wir den Gott der Bibel persönlich kennen lernen, wieder eins mit ihm werden, und so selber Teil der grossen Erzählung werden. Durch ihn lernen wir, die Bibel als Erzählung zu lesen, den Gott dieser Erzählung zu sehen, mit anderen zusammen die Erzählung in unsere Zeit zu übersetzen und schlussendlich zu leben. Und so werden andere, die noch nichts mit der Bibel anfangen können, an und mit uns einen Teil der grossen Erzählung erleben und vielleicht dann selber einmal mitzuspielen. Und so ist die Erzählung der Bibel nicht nur die unserer Vergangenheit, sondern die unserer Zukunft!

Für diesen Post wurde ich von Scot McKnight und seinem Buch „The blue Parakeet – Rethink How You Read the Bible“ inspiriert. Einige seiner Gedanken habe ich – ohne diese zu kennzeichnen – übernommen.