Wir kommen um 4:10 am morgen an. Ich fühle mich wie gerädert und angespannt: kommen alle vier Koffer an, kriege ich sie durch den Zoll, holt mich jemand ab? Doch alles funktioniert wie geschmiert. In 10 Minuten bin ich durch die Passkontrolle durch und ich verspreche mir selber wieder mal, das nächste Visum als Geschäftsvisum zu beantragen. Denn wer reist schon ein bis zwei mal pro Jahr als Tourist nach Sierra Leone? Die Koffer kommen dann auch nach bangen 20 Minuten – und natürlich muss man sogar für den Kofferwagen bezahlen. Es sind ja nur 2 Dollar und so funktioniert das hier halt – wieso rege ich mich überhaupt darüber auf? Mit 4 Koffern für 10 Tage als Tourist in Sierra Leone? Der Zollbeamte hört sich meine Erklärung kurz an, runzelt die Stirn, lässt mich dann aber durch. Ich hatte mir schon überlegt, ob ich ihm für sein Entgegenkommen einen Ball und ein paar Trikots schenken muss – war aber alles nicht nötig. Beim Ausgang sehe ich dann zwei bekannte Gesichter. Usman und Kamara haben am Flughafen übernachtet, um mich in Empfang zu nehmen. Wir müssen aber hier noch zwei Stunden warten, bis die erste Fähre geht. Ich versuche, hier noch etwas Schlaf nachzuholen, ebenso auf der Fähre.
Auf der anderen Seite wartet Glorious auf uns. Das Hotel, in dem ich üblicherweise bin, ist voll und so bleibe ich diese eine Nacht bei Kamara. Das gefällt mir eh besser, obwohl wir hier weder fliessend Wasser noch Strom haben. Nach einem kleinen Frühstück – auf das frittierte Fleisch verzichte ich mal lieber – fahren wir nach Allem Town zum Skill Training. Dieses Programm haben wir im März gestartet. 20 Personen haben die Gelegenheit, ein Handwerk zu lernen: 10 lernen, Kleider zu färben, die anderen, Seife zu machen. Ich bin brutal begeistert, wie das Training funktioniert. Fast täglich kommen sie unter der Leitung von zwei begabten Lehrern zusammen und lernen ganz praktisch eine Fähigkeit, mit der sie bald schon ihre Familie ernähren können. Nach sechs Monaten Ausbildung werden sie sich in Teams aufteilen und pro Team die Produktionsmaterial erhalten, um selber produzieren und verkaufen zu können. Das Training wird von uns gesponsert. Die Materialen, um selber beginnen zu können, sollen sie aber wieder zurückzahlen, damit die nächste Klasse selber dann wieder starten kann. Dazu sollen sie bald auch noch eine Ausbildung in Verkauf und Buchhaltung erhalten. Die Teilnehmer des Trainings waren vorher Schüler in unserer Schule in Allen Town, wo sie Lesen und Schreiben lernen konnten.
Von Allen Town geht es weiter nach Grafton. Die Jungs von Vineyard Grafton FC können es kaum erwarten, bis wir endlich kommen. Sie haben ein Freundschaftspiel gegen die Taxifahrer organisiert, inklusive DJ und Stadionspeaker. Das Fussballfeld ist umrahmt mit Dorfbewohnern. Sie wundern sich über diesen weissen Mann, der es nicht auf dem Stuhl aushällt, sondern tatkräftig und laut sein Team anfeuert, hier ein Foul sieht, dort einen Penalty verlangt und sich dann wieder über ein vermeintliches Offside des Gegners beschwert. Doch wir gewinnen am Ende klar und verdient 3:0
Nach dem Spiel geht es hoch zum Gebäude der Vineyard Grafton. Nach einigen Rückschlägen geht es nun gut voran. Die Leute der Gemeinde bauen fleissig. Bald können die Türen eingesetzt werden und dann kann es für die Veranstaltungen und für die Schulea gebraucht werden. Einige Leute in Grafton können es kaum erwarten, endlich bei uns Lesen und Schreiben zu lernen.
Die Jungs vom Fussball-Club sind auch hoch gekommen. Ich stelle ihnen ihre zwei neuen Trikots vor, die der FCZ gesponsert hat. Ihre Freude ist riesig, hat dann aber kein Halten mehr, als ich den letzten Koffer mit den Kickschuhen öffne. Sie tanzen, jubeln, lachen und können kaum glauben, dass sie nun endlich in richtigen Kickschuhen spielen können. Kamara erklärt mir später, dass niemand dieser Jungs je in seinem Leben so viel Geld verdienen könnte, um ein paar Kichschuhe kaufen zu können.
Wir machen uns dann auf den Rückweg. Bei Kamara gibt es ein bescheidenes Abendessen und um 7 Uhr liege ich bereits im Tiefschlaf im Bett.

 

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