Dieses Wochenende fand in Gränichen auf der Liebegg ein Mittelalterfest statt. Wir hatten einmal einen Mitbewohner, der total Fan von diesen Dingen war. Mehr zufällig war ich nun auch dabei: ein Paar wollte im Rahmen dieses Mittelalterfestes heiraten und sie suchten noch einen Pfarrer, der offen genug ist, sich als Leutpriester zu verkleiden und Mittelhochdeutsch zu sprechen. Soviel vorweg: ich bin kein Mittelalter-Freak geworden – obwohl mir die ganze Geschichte echt gut gefallen hat. Am Samstag war ich also von neun Uhr morgens bis mitte Nachmittag als Priester verkleidet unterwegs. Je näher die Hochzeit kam, desto nervöser wurde ich. Am Anfang war die ganze Zeremonie mit Trauung und Liedern und Musik – und alles auf Mittelhochdeutsch: Vor dies Gotteshuus, welt du Nadja, den wackren und tapfren Helge zum dim Gemachel und Gebieter nehmen, uf dass er dich ehre und beschütze din Läbtag lang? Neben den Hochzeitgästen waren sicher 150 Schaulustige im Innenhof der Liebegg, die sich die Hochzeit ansahen. Im zweiten Teil war dann der für mich wichtigere Teil: Ich durfte zehn Minuten über Ehe und Gott predigen und für das Brautpaar beten. Dieses mal nicht in Mittelhochdeutsch, sondern wie mir der Schnabel gewachsen ist. Irgendwie hat es einfach gepasst. Die Leute waren dabei, haben gelacht, geklatscht und etwas von diesem Gott mitbekommen, der nicht nur in einem Gottesdienst, sondern auch auf einem Mittelalterfest anzutreffen ist. Es war erstaunlich, dass nachher wildfremde Menschen auf mich zugekommen sind, ob mich auf die Predigt angesprochen haben. Und zwei der Theaterleute haben mich gefragt, ob ich denn auch für ihr Hochzeit kommen würde, falls es dann mal soweit ist.

Eigentlich wollte ich nach der Hochzeit noch bei Wicca vom Hexenmuseum aus Auenstein vorbei schauen. Sie hat in irgendeinem Turmzimmer Workshops angeboten. Ich wollte mal sehen, wie echt das ganze bei ihr ist und ob sie sich bewusst ist, auf was sie sich da einlässt bei ihren Hexenspielen. Nach der Hochzeit war ich aber so ausgelaugt, dass ich diese Begegnung auf das nächste Mittelalterfest verschob. Der Gedanke, wieso nicht selber einen Stand oder Workshop anzubieten, beim nächsten Mittelalterfest, blieb aber hängen: Ich könnte ja Ablassbriefe verschenken, oder über die Spiritualität der Mönchsorden erzählen, oder in die Exerzitien einführen.

Dieses Weekend haben für mich drei Dinge bestätigt:

  1. Es gibt viele Menschen, die auf der Suche nach Gott sind. Sie wünschen sich eine alltagsrelevante Spiritualität, sie wünschen sich Antworten auf die Fragen des Lebens, sie möchten Gott persönlich erleben. Aber sie werden nicht zu uns in die Kirche kommen.
  2. Gott ist da, wo Menschen sind. Er ist nicht erst da, wenn wir auftauchen, sondern er ist schon lange vor uns da. Er bereitet Herzen vor, schliesst Türen auf, weckt Interesse.
  3. Wir dürfen zu den Menschen gehen, wo sie sind – und wir müssen uns dabei nicht verstecken. Kirche soll dort Leben, wo wir sind – nicht dort, wo unser Gottesdienst oder unser Programm ist.

und natürlich noch ein paar visuelle Eindrücke, für alle, die nicht dabei sein konnten: